Engagement für mehr soziales Miteinander vor Ort

Der Sozialdienst katholischer Frauen e.V. ist ein Fachverband im Deutschen Caritasverband. In Münster ist er Träger mehrerer Einrichtungen und Beratungsdienste. Unser Engagement wird seit fast 120 Jahren von haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern getragen, die mit viel Herzblut und Sachverstand in allen Lebenslagen für Sie da sind.

Engagement im SkF

Vorstand

Unser Vorstand ist ausschließlich ehrenamtlich tätig.

Edith Thier
Vorstandsvorsitzende

Maria Lewe
stellv. Vorsitzende

Elisabeth Knemeyer

Irmgard Weber

Dr. Petra Amely-Pauleikhoff

Geistliche Beraterin:

Sr. Lucia Dießel

Geschäftsführung

Nicole Stange
Verbandsgeschäftsführerin
stange@skf-muenster.de

Svenja Lammers
Stellvertretende Verbandsgeschäftsführerin
lammers@skf-muenster.de

Wolbecker Str. 16a
48155 Münster
Tel.: 0251 / 13 32 23-0
Fax: 0251 / 13 32 23-12

Geschichte

Vom Katholischen Fürsorgeverein
zum Sozialdienst katholischer Frauen e.V. Münster – 120 bewegte Jahre

 

Der folgende Beitrag gibt einen Einblick in die einhundertzwanzigjährige Geschichte des Sozialdienst katholischer Frauen e.V. Münster. Es werden wichtige Wegpunkte der Entwicklung nachgezeichnet, die sowohl den zeitgeschichtlichen Kontext als auch in besonderer Weise das Engagement der Gründerinnen zum Ausdruck bringen. Es waren bewegte Jahre in denen von Frauen viel in Bewegung gesetzt wurde. Diese Form der Darstellung will auch die spezifische Situation und die Schwierigkeiten zum Ausdruck bringen, denen sich die Frauen ausgesetzt sahen. Eine chronologische Aufzählung allein, würde dem Wirken nicht gerecht werden können.

Die Gründungszeit

Die Zeit um die Jahrhundertwende war geprägt von der „Sozialen Frage“. Die Folgen der Industrialisierung führten zu sozialem Elend, und insbesondere Frauen und Kinder waren die Leidtragenden dieser Entwicklung. Zu dieser Zeit gab es erst drei caritative Vereine in Münster:

Der alte und ehrwürdige St. Elisabethverein, der Verein zur Pflege verheirateter Wöchnerinnen und der kath. Frauenverein zur Bekleidung bedürftiger Kinder.

Münster zählte zu den Städten, in denen der Gedanke der Fürsorge für gefährdete und gefallene Frauen, Mädchen und Kinder recht bald Eingang fand und auf fruchtbaren Boden fiel.

Agnes Neuhaus, die Vorsitzende und Gründerin des Dortmunder Fürsorgevereins, und ihre Mitarbeiterinnen besuchten häufig ihre Schützlinge, die im Kloster vom Guten Hirten untergebracht waren. Ein Fürsorgeverein in Münster hätte vor Ort dieser Arbeit nachgehen können. Frau Maria von Papen-Lohe, eine enge Mitarbeiterin, sprach im Januar 1902 im Kloster vom Guten Hirten vor, um im Namen von Frau Neuhaus für eine Vereinsgründung in Münster vorbereitende Schritte [zu] unternehmen.

In einem Brief beklagt sich Frau von Papen-Lohe, dass sie bei den Schwestern vom Guten Hirten allerdings wenig Verständnis gefunden hätte. Unterstützung fand sie in Domkapitular Rüping, den sie für die Vereinsidee begeistern konnte. Dieser ermöglichte auch ein Gespräch mit dem Bischof von Münster. Auf Empfehlung des Domkapitulars kam auch ein erster Kontakt mit Frau Hellraeth zustande. Wenig später traf Domkapitular Rüping Frau Hellraeth, die sich bereit erklärte, dem Verein beizutreten und auf sein Bitten auch den Vorsitz des neuen Vereins zu übernehmen.

Frau Hellraeth schrieb darüber am 23.2.1942 rückblickend:
Mein Entsetzen darüber war groß, und ich fing bitterlich an zu weinen und ihn zu bitten, jemanden anders zu nehmen: „Ich kenne keine Vereinsarbeit, habe keinem Verein angehört, vielleicht als zahlendes Mitglied, aber nie als tätiges Mitglied“. Nach einigem energischen Zureden tat er die Äußerung: „Wenn Sie geglaubt hätten, den Verein übernehmen zu können, würde ich eine andere Vorsitzende gesucht haben. Was Sie nicht können, wird der heilige Geist übernehmen.“ Damit habe ich meinen Widerstand aufgegeben und mich gefügt. Die Damen, die Herr Rüping genannt hatte, lernte ich nun bald kennen, alles tief religiöse Frauen, die nur aus ideellen Gründen bereit waren, dem Verein beizutreten.

Am 7.Februar 1902 kam es zur inoffiziellen Gründung des münsterischen Fürsorgevereins.
„Am 7. Februar 1902 fanden sich in seinem Hause die ersten vier Frauen zusammen, die wenigstens nicht ganz abgeneigt waren, ihre Zeit und Kraft und ihre mütterliche Liebe den Ärmsten ihrer unglücklichen Mitschwestern zu widmen…‘ – Daß es in der Garnison- und Universitätsstadt mit ihren zahlreichen Gefahren nicht an Aufgaben für die Fürsorge fehlen würde, stand außer Frage..“

Am 4. März 1902 fand auf der Veranda des Hellraethschen Hauses eine Gründungssitzung statt, an der neben Frau Neuhaus vier neugewonnene Mitarbeiterinnen sowie der Geistliche Rektor des Klosters vom Guten Hirten, Domkapitular Rüping, und Frau Hellraeth teilnahmen. Damit war die münsterische Ortsgruppe des Katholischen Fürsorgevereins für Mädchen, Frauen und Kinder gegründet. Ein erster kleiner Vorstand wurde gebildet und Frau Hellraeth zur Vorsitzenden gewählt, die dieses Amt bis zu ihrem Tod am 5.12.1942 innehatte. Sie kann mit Recht als die „überragende Persönlichkeit“ des Fürsorgevereins in den ersten vier Jahrzehnten bezeichnet werden.

Gleich nach der Gründung des münsterischen Fürsorgevereins am 4. März begann die praktische Arbeit. Frau Neuhaus ging zusammen mit Frau Hellraeth zur Geschlechtskrankenstation des Clemenshospitals, um „die große Scheu vor der ersten persönlichen Berührung mit den unglücklichen Opfern eigener und fremder Schuld überwinden zu helfen.“

Frau Hellraeth schrieb über diesen Besuch:
„Nach der Gründungssitzung unseres Vereins nahm Frau Neuhaus mich mit zum Clemens-Hospital in die Abteilung der Geschlechtskranken, um mir zu zeigen, wie diesen armen Mädchen zu begegnen sei.“
Auch die erste Vormundschaft wurde aufgrund des Besuches der Geschlechtskrankenstation von Frau Hellraeth übernommen:
„So stand der junge Fürsorgeverein vor seiner ersten Aufgabe. Verhandlungen mit dem Vater führten zur Übertragung der elterlichen Rechte auf die Vorsitzende des Vereins.“
Da die münsterischen Fürsorgerinnen keine Erfahrung in der Fürsorgearbeit hatten, gab Frau Neuhaus „ein anschauliches Bild von der Fürsorgearbeit, von ihren Mühen und Sorgen, aber auch von ihrem Segen.“

Die Gründerinnen erkannten die Ursachen für das Leid wie z.B. ungünstige wirtschaftliche Bedingungen und sahen die Notwendigkeit, auch über die mildtätige Fürsorge hinaus zu wirken. Um der Fürsorgetätigkeit eine breite Grundlage zu schaffen, informierte man das Vormundschaftsgericht, die Polizei, den Magistrat, den Landeshauptmann und die Pfarrer der Stadt von der Fürsorgetätigkeit des Vereins und bot ihnen an, bei der Unterbringung von gefallenen Mädchen und Frauen zu helfen. Damen des Fürsorgevereins besuchten auch Personen, von denen sie gehört hatten, dass sie sittlich gefährdet waren und zu verwahrlosen drohten. Nach kurzer Zeit versuchten die Helferinnen des Fürsorgevereins auch obdachlosen Frauen und Frauen mit unehelichen Kindern zu helfen. Man wollte verhindern, dass den Frauen nichts übrig blieb, als in die Prostitution zu gehen.

Das Antoniusstift – ein Zufluchtshaus für obdachlose Mädchen

„So stellte sich gleich in den ersten Wochen der Vereinsarbeit das dringende Bedürfnis nach einem Zufluchtshaus heraus. Den geringen Mitteln des Vereins entsprechend, wurden zum vorläufigen Notbehelf in einem kleinen alten Hause in einem engen, versteckten Seitengäßchen der Breiten Gasse vier Räume gemietet und notdürftig eingerichtet. Eine Frau, die mit ihrer Familie den übrigen Teil des Hauses bewohnte, übernahm, unterstützt von einigen Vereinsmitgliedern die Aufsicht und die Sorge für die obdachlosen Mädchen.“

Am Anfang des Jahres 1903 erwarb der Fürsorgeverein unter Beratung des Domkapitulars Rüping ein großes Haus an der Magdalenenstraße. Mitglieder des Fürsorgevereins richteten das Haus wohnlich ein, während der Verein versuchte, Ordensschwestern für die Leitung des Hauses zu gewinnen. Der Bischof meinte, dass es schwierig wäre, diese „schlimmen Personen“ in Schranken zu halten und dass es zweckmäßiger wäre, wenn das Haus dem Kloster vom Guten Hirten angegliedert würde. Diese Haltung verdeutlicht, dass die Arbeit des Fürsorgevereins nicht nur auf Zustimmung gestoßen ist. Da keine Ordensschwestern gefunden wurden, führte ab April 1903 eine weltliche Leiterin das Zufluchtsheim. Der Fürsorgeverein gab die Suche nach Nonnen, welche die Leitung des Heimes übernehmen sollten, jedoch nicht auf, da nur mit „geeigneten Kräften“ eine Aufwertung des Zufluchtshauses zu einer Erziehungsanstalt bewerkstelligt werden konnte. 

Am 10. März 1904 kamen drei Schwestern der „Töchter vom heiligen Kreuz“ nach Münster. Das Haus, das alle Schützlinge des Vereins unterbringen sollte, war zunächst mit 15 Betten ausgestattet und wurde unter dem Namen Antoniusstift geführt. Der heilige Antonius wurde zum Patron bestimmt, da ihm zugeschrieben wird, „Suchende“besonders zu beschirmen, womit sowohl die Schützlinge, die den rechten Lebensweg finden sollten, wie auch ihre Betreuer gemeint waren, die auf der Suche nach neuen Wegen der Fürsorge waren. Das Antoniusstift bildete den Anfang der „geschlossenen Fürsorge“ des Fürsorgevereins. Verwahrloste und gefährdete Mädchen wurden nun im Antoniusstift erzogen und schwangere Frauen oder Mädchen, die uneheliche Kinder bekamen, wurden in einer besonderen Abteilung betreut. Zur Entbindung wurden sie nach Paderborn gebracht.

Das Monikastift – Entbindungsheim für uneheliche Kinder

Da Münster kein Entbindungsheim für uneheliche Kinder hatte und sich dies aber als ein dringendes Erfordernis zeigte, wurde die Errichtung eines Entbindungsheims beschlossen, aber es dauerte einige Zeit bis endlich ein Haus gefunden werden konnte. Denn in vielen Teilen der Stadt wandten sich Einwohner und sogar Pfarrgeistliche gegen den Zuzug einer solchen „Nachbarschaft“. Schließlich wurden nach langer vergeblicher Suche in der Aegidiistraße mehrere Zimmer in einem Haus gemietet. Am 1.10.1904 wurde das Entbindungsheim, dessen Leitung eine Hebamme übernommen hatte, unter dem Namen Monikastift eröffnet. 1925 wurde es geschlossen, da die Universitätsklinik nun auch uneheliche Mütter aufnahm. Fürsorgerinnen übernahmen aber weiter die Betreuung der unehelichen Mütter und ihrer Säuglinge.

Vormundschaftsarbeit als weitere Aufgabe

Zu der Arbeit im Antoniusstift und Monikastift kam 1904 noch die Vormundschaftsarbeit für den Fürsorgeverein neu hinzu. Die meist unehelichen Mütter mussten schon früh nach der Geburt ihres Kindes arbeiten, um Geld zu verdienen.

„Die Leitung des Fürsorgevereins erkannte bald, daß die stumme Not der Kleinen und Kleinsten nach helfender Liebe und mütterlich empfindenden Frauen rief.“

Inzwischen expandierte die Fürsorgearbeit im Antoniusstift, und es standen gleich mehrere Heime auf der Wunschliste: ein größeres Fürsorgeheim, ein Heim für uneheliche Mütter und ihre Säuglinge und ein Waisenhaus. Die Errichtung dreier Heime war jedoch für den Fürsorgeverein aufgrund bescheidener Eigenmittel nicht machbar. So plante der Fürsorgeverein die Errichtung eines großen Heimes mit drei getrennten Abteilungen: eine Abteilung für schulentlassene, gefährdete Mädchen, eine Abteilung für hoffende und stillende Mütter und deren Säuglinge und eine Abteilung für gefährdete Kinder von zwei bis vierzehn Jahren Das Heim sollte so verschiedene Schützlinge des Vereins aufnehmen, aber unter einheitlicher Leitung stehen.

Das „neue“ Antoniusstift

Im Mai 1905 wurde der Grundstein für das Heim an der Sentruperstrasse, welches weiter den Namen Antoniusstift behielt, gelegt, das Waisenkinder und andere verwahrloste Kinder, uneheliche Mütter und ihre Säuglinge sowie schulentlassene gefährdete und gefallene Mädchen aufnehmen sollte. Im April 1906 zogen die Schwestern und ihre Schützlinge in das neue Heim ein.

Weitere Aufgaben wurden übernommen

Im selben Jahre übernahmen Mitglieder des Fürsorgevereins die Aufgaben des „Marianischen Mädchenschutzes“, die Bahnhofsmission und die Stellenvermittlung für unbescholtene Mädchen. Diese Abteilung des Fürsorgevereins spaltete sich als besonderer Mädchenschutzverein vom Fürsorgeverein ab, mit dem der Mädchenschutzverein aber bei gemeinsamen Aufgaben weiter zusammenarbeitete.

Da immer mehr Vormundschaften übernommen wurden (vom 1.3.1906 bis zum 1.3.1907 waren es bereits 251 Vormundschaften) und somit auch der Zeitaufwand für diese Arbeit immer weiter stieg, wurde 1907 eine eigene„Abteilung für organisierte Einzelvormundschaft“ eingerichtet, dessen Leitung Fräulein Katharina Grönhoff übernahm.

Bereits 1905 hatte der Fürsorgeverein die Zieh- und Kinderwaisenpflege von der Stadt übernommen. Die hohe Säuglingssterblichkeit unter unehelichen Kindern in der Stadt war der Grund, diese Notlage durch ärztliche Beratung und Aufsicht zu beseitigen. So wurde  1908 eine Mütterberatungsstelle, die erst nur für seine Schützlinge gedacht war. Nach der Eröffnung bekam der Fürsorgeverein von der Stadt Münster die offene Säuglingsfürsorge zugewiesen. Als weiteres Aufgabengebiet kam 1908 die Jugendgerichtshilfe hinzu. In Münster wurde 1908 das Jugendgericht eingeführt, dem der Fürsorgeverein seine Hilfe anbot. Jugendliche sollten nicht ins Gefängnis gesteckt werden, weil sie da nur noch mehr zu verwahrlosen drohten, sondern durch den Fürsorgeverein in ein geordnetes Leben zurückgeführt werden. Am 1. Juli 1908 begann der Fürsorgeverein auch in der Jugendgerichtshilfe mitzuarbeiten.

Um den älteren Mädchen und den Frauen, die sich in die Obhut des Fürsorgevereins begeben hatten, eine sinnvolle Beschäftigung und eine Vorbereitung auf eine eventuelle Dienststelle zu bieten, hatte man 1906 hinter dem Antoniusstift ein Waschhaus erbaut. 1908 errichtete man zusätzlich eine Näherei, vergrößerte das Waschhaus und kaufte große Maschinenanlagen für die Arbeitsräume. Da wirtschaftlich erfolgreich gearbeitet wurde, ergaben sich Gewinne, die mit den Ausgaben für Pflege und Ernährung teilweise verrechnet werden konnten.

Säuglingsheim

1906 war in dem neu errichteten Antoniusstift eine getrennte Abteilung für uneheliche Mütter und ihre Säuglinge eingerichtet worden. Der Fürsorgeverein beschloss ein gesondertes Säuglingsheim neben dem Antoniusstift zu errichten. Am 1. Juli 1910 bezogen Schwestern aus der Ordensgemeinschaft der „Töchter vom heiligen Kreuz“, die über spezielle Fähigkeiten in der Säuglingspflege verfügten, das neue Heim, in dem sie nun die nicht verheirateten Mütter und unehelichen Säuglinge, die vorher im Antoniusstift untergebracht waren, pflegten. Die ärztliche Leitung des Heimes übernahm der Leiter der Mütterberatungsstellen, Dr. Schulte. So wurden die offene Säuglingsfürsorge in der Stadt und die geschlossene Fürsorge im Heim miteinander verbunden. 1917 erhielt die Säuglingspflegeschule ihr staatliche Anerkennung. Sie hatte nun das Recht, staatliche Abschlussprüfungen abzuhalten. Der Fürsorgeverein eröffnete am 12.4.1917 die Kreisfürsorgerinnenschule, die diese Kurse abhalten sollte. Später erhielt die Kreisfürsorgerinnenschule den Namen Wohlfahrtsschule

Das Vereinsbüro: Beratungs- und Auskunftsstelle

Um die wachsende Arbeit des Fürsorgevereins besser zu organisieren, richtete dieser am 1. Oktober 1910 ein ständiges Büro ein. Ein Zeitungsartikel aus dem Jahre 1928 charakterisiert das Büro folgendermaßen:

„Mittelpunkt der offenen Fürsorgearbeit ist das Vereinsbüro, Sonnenstr.72, wo sieben Fürsorgerinnen und drei Bürokräfte tätig sind, wo aber auch die mehr als 300 tätigen Mitglieder des Vereins ihren Sammelpunkt und ihre Beratungs- und Auskunftsstelle haben. Dorthin kommen die Hilfesuchenden und auch die Hilfsbereiten, dort laufen Meldungen, Anfragen, Auskünfte von kirchlichen und weltlichen Behörden von Vereinen und Privatpersonen ein. Dort läutet den ganzen Tag das Telefon – und immer handelt es sich um arme Menschenkinder, die der Hilfe und der Rettung oft aus schwerster leiblicher und seelischer Not bedürfen. Von dort aus gehen die Fürsorgerinnen oder ehrenamtlichen Vereinsmitglieder an die Stätten, wo gefährdete oder gesunkene Menschenkinder irgendwie oder irgendwann einmal zu stranden pflegen und versuchen die Hilfe zu bringen, die nicht nur die äußeren Verhältnisse regelt und bessert, sondern auch der sittlichen und seelischen Erhebung dient.“

Das Vinzenzwaisenhaus

Die Räumlichkeiten im Antoniusstift reichten bald nicht mehr aus und es konnten schließlich nicht mehr alle Schützlinge aufgenommen werden „ohne daß Gefahren für die Gesundheit und die Erziehung der Kinder entstanden, und ohne daß namentlich die Kleinen in ihrer natürlichen Lebensfreude und Bewegungsfreiheit behindert wurden“.

Die Fürsorge G.m.b.H. erkannte, dass der Erwerb oder der Bau eines dritten Heimes notwendig war. 1. Dezember 1912 wurde das Vinzenzwaisenhaus in Münster-Handorf feierlich eingeweiht, das über 300 Kindern Platz bot. Auf dem öden Heide- und Ackerland im Umfeld des Vinzenzwaisenhauses baute man Obst und Gemüse an, um so die älteren Kinder auf eventuelle spätere Dienststellen auf dem Land vorzubereiten.

Erweiterung der Angebote und Einrichtungen

Das Säuglingsheim und das Säuglingskrankenhaus mit seinen modernen Einrichtungen waren als Ausbildungsstätte hervorragend geeignet. 1912 begannen erste Ausbildungskurse in der Säuglingspflege, die die Anfänge der Säuglingspflegeschule waren. Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges richtete der Fürsorgeverein 1914 mehrere Kinderkrippen in Münster ein. Da viele Ehemänner und Väter in den Krieg zogen und deshalb viele Mütter arbeiten mussten, befürchtete der Fürsorgeverein, dass unbeaufsichtigte Kinder verwahrlosen könnten.

Das Angelahaus

Am 8.1.1916 wurde das Angela-Haus von Clemensschwestern auf Bitten des Fürsorgevereins hin eröffnet. Es diente als kleines Erziehungsheim für gefährdete Mädchen, die älter als 14 Jahre waren und dort die Möglichkeit hatten in Garten-, Haus- und Näharbeiten ausgebildet zu werden.

„In der Kriegszeit war das Antoniusstift dauernd überfüllt. In unserer neuen Verlegenheit fanden wir herzliches und hilfsbereites Verständnis bei der Generaloberin der Clemensschwestern, der unvergeßlichen Mutter Claudia. Sie brachte unsern Schützlingen ein großes Opfer, indem sie im Erholungsheim der Schwestern an der Warendorferstraße eine kleine Abteilung für unsere Schützlinge einrichtete. Dort – im Angelahaus – bringen wir noch heute nicht schwer verwahrloste, aber körperlich schwache und gefährdete Mädchen unter, die besonders liebevoller Anleitung bedürfen.“

Adoptionsvermittlung und Eröffnung des Gertrudenhauses

Mit dem Caritasverband wurde ein Vertrag geschlossen, dass der Fürsorgeverein im Interesse einer einheitlichen, größeren Adoptionsvermittlung die Tätigkeit des Caritasverbandes übernimmt. Der Fürsorgeverein bekam sämtliches Material, darunter Angebote und Nachfragen. Die Adoptionszentrale wurde Anfang 1918 von der Leiterin der Vormundschaftsabteilung des Fürsorgevereins übernommen.

Eine Folge des ersten Weltkrieges war die Wohnungslosigkeit, von der immer mehr Frauen betroffen waren. Um diesen Frauen, Mädchen und ihren Kindern ein Schutzasyl zu bieten, eröffnete der Fürsorgeverein am 15.8.1921 das Gertrudenhaus. Das Gertrudenhaus ist die einzige Einrichtung, die auch heute noch vom Sozialdienstes Katholischer Frauen betrieben wird.

Ausbau der Hilfsangebote

Im selben Jahre übernahmen Mitglieder des Fürsorgevereins die Aufgaben des „Marianischen Mädchenschutzes“, die Bahnhofsmission und die Stellenvermittlung für unbescholtene Mädchen. Diese Abteilung des Fürsorgevereins spaltete sich als besonderer Mädchenschutzverein vom Fürsorgeverein ab, mit dem der Mädchenschutzverein aber bei gemeinsamen Aufgaben weiter zusammenarbeitete.

Die „Blütezeit“ des Fürsorgevereins war geprägt von der Gründung neuer Einrichtungen und der Erschließung weiterer Aufgabenfelder. Einige Arbeitsbereiche wurden aber auch wieder abgegeben. So ging 1921 die offene Säuglingsfürsorge an die Stadt Münster und die Gerichtshilfe für männliche Jugendliche wurde vom Männerfürsorgeverein übernommen. Dennoch ging auf Grund zunehmender Problemlagen der Ausbau der Hilfsangebote weiter. Der Fürsorgeverein begründete den Ausbau seiner Hilfe folgendermaßen:

„Die Nachwirkungen der Kriegs-, Revolutions- und Inflationszeit auf die allgemeine Moral traten erst jetzt in vollem Umfange hervor, und die wachsende sittliche Verwahrlosung unserer Jugendlichen, die betrübliche Zerrüttung des Familienlebens in weiten Kreisen brachten erweiterte Arbeiten.“

In den Jahren 1922 und 1923 richtete er vier weitere Mütterberatungsstellen in Münster ein. 1922 mietete der Fürsorgeverein das Haus der Dettenstiftung, um dort ein Internat für die Schülerinnen der Wohlfahrtschule einzurichten. Das Anna-Katharinenstift diente der „Unterbringung sittlich verwahrloster Mädchen und Frauen, welche einer speziellen heimerzieherischen Behandlung bedürfen und bewahrungsbedürftig sind.“

Mitte der zwanziger Jahre wurden sämtliche Heime des Fürsorgevereins erweitert. So wurde 1925 das Gertrudenhaus vergrößert. 1926 wurde der Erweiterungsbau des Vinzenzwaisenhauses fertiggestellt sowie mit dem Weiterbau des Säuglingsheims begonnen. 1927 wurde das Antoniusstift erweitert, um dort eine Abteilung für Heilerziehung einzurichten. Das Säuglingsheim und das Antoniusstift vergrößerten sich fast um das Doppelte. Damit sollte Mängel behoben werden, die aus der Überbelegung beider Heime in den letzten Jahren resultierten.

Die Arbeit des Fürsorgevereins stieg im Laufe der Zeit so stark an, dass nicht nur ehrenamtliche Mitarbeiterinnen sie erledigen konnten. So wurde 1910 die erste Berufskraft eingestellt. 1920 beschäftigte der Fürsorgeverein schon zehn Berufskräfte, stellte aber im Laufe der zwanziger Jahre keine neuen mehr ein und hatte schließlich 1933 noch sieben hauptberufliche Mitarbeiterinnen. Der Fürsorgeverein wurde vom Vorstand und deren Vorsitzenden Frau Hellraeth geleitet. 1907 bestand der Vorstand aus vier Mitgliedern, wuchs aber bis 1910 auf 16 Mitglieder.

25 Jahre Katholischer Fürsorgeverein in Münster

Im Januar 1928 feierte die münsterische Ortsgruppe des Fürsorgevereins ihr 25jähriges Bestehen.  Der Bischof von Münster, Dr. Poggenburg, berichtete in seiner Festrede, dass er dem Papst von der Arbeit und den Erfolgen des Fürsorgevereins berichtet hätte. Durch den Apostolischen Nuntius schickte er seine Glück- und Segenswünsche.

„Euer Bischöflichen Gnaden beehre ich mich ergebenst mitzuteilen, daß Seine Heiligkeit Papst Pius der Sechste allerhuldvollst geruht hat, Frau Justizrat Clara Hellraeth, der Leiterin des Fürsorgevereins für Frauen, Mädchen und Kinder in Ihrer Bischofsstadt Münster und allen Mitgliedern des Vereins zu dessen 25jährigen Jubiläum von Herzen den erbetenen Apostolischen Segen zu erteilen.“

Die Ansprachen und Ehrenbezeugungen auf der großen Festversammlung im Rathaussaal zeigen, dass spätestens zu diesem Zeitpunkt der münsterische Fürsorgeverein sowohl von kirchlicher als auch von behördlicher Seite voll anerkannt worden war. Regierungspräsident Dr. Amelunxen hob anlässlich des 25jährigen Bestehens des münsterischen Fürsorgevereins hervor:

„Die Anfänge Ihrer, auf ein Vierteljahrhundert sich erstreckenden, von seltenem Idealismus getragenen und in volksmütterlicher Hilfsbereitschaft durchgeführten Lebensarbeit, auf die Sie am heutigen Tage zurückschauen können, lagen in einer Zeit, in der man für die soziale und caritative Mitarbeit der Frau im öffentlichen Leben Deutschlands noch nicht das Verständnis hatte, wie dies heute der Fall ist.“

In der Zeit von 1906 – 1933 erschloss der Fürsorgeverein viele neue Arbeitsgebiete. Dadurch stieg auch die Anzahl der Schützlinge und der bearbeiteten Fälle. Hatte der Fürsorgeverein 1906 erst 670 Schützlinge betreute er 1930 bereits 9482 Schützlinge. Auch die Mitgliederzahlen des Fürsorgevereins stiegen. 1933 hatte der Fürsorgeverein etwa 2000 Mitglieder, wovon 390 aktiv mitarbeiteten.

1933 -1945: Der Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg

Mit der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten zeigten sich alsbald auch erste Auswirkungen für den Fürsorgeverein. Die Amtsvormundschaft, die 1925 vom Jugendamt übernommen worden war, wurde dem Fürsorgeverein sofort abgenommen. Im Jahresbericht 1934 zeigen sich jedoch weitere Veränderungen: So war der Fürsorgeverein nicht mehr in der Geschlechtskrankenfürsorge tätig, da die Geschlechtskrankenstation aufgelöst worden war. Eine Polizeifürsorgerin des Fürsorgevereins gab es nicht mehr. Im Jugendamt war seit August 1934 kein stimmberechtigtes Mitglied des Fürsorgevereins vertreten. Sowohl die Jugendgerichtshilfe als auch die Gerichtshilfe für Erwachsene reduzierten sich auf vier Fälle. Mitglieder des Fürsorgevereins wurden aus städtischen Ausschüssen ausgeschlossen.

Ab dem Jahre 1934 sanken die Mitgliederzahlen rapide, 1936 gab es nur noch 300 Mitarbeiterinnen. Der Anteil der zahlenden Mitglieder war von 2000 im Jahre 1933 auf 1200 im Jahre 1936 gesunken.

Die Heime des Fürsorgevereins arbeiteten zunächst wie gewohnt weiter. Während besonders das Gertrudenhaus immer mehr obdachlose Mädchen aufnahm, sank die Zahl der Kinder im Vinzenzwaisenhaus rapide. Das Heim hatte 80 große und 165 kleine Betten. 1935 wurde dem Vinzenzwaisenhaus von der städtischen Armenkommission aber nur 41 „normale“ und 23 behinderte Kinder überwiesen. Das Haus geriet in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Der Fürsorgeverein konnte das Vinzenzwaisenhaus schließlich nicht mehr weiterführen und musste es am Ende des Jahres 1935 verkaufen. Am 1. Januar 1936 übernahm die Luftwaffe das Grundstück, welches zu einem Flugplatz ausgebaut wurde.

Die Nationalsozialisten versuchten, die konfessionelle Wohlfahrtspflege auszuschalten. So wurden dem Verein 1936 alle behördlichen Zuwendungen gestrichen, so dass sich der Fürsorgeverein ausschließlich durch Spenden finanzieren musste. Der Fürsorgeverein bekam einen neuen Konkurrenten in der Wohlfahrtspflege: die „Nationalsozialistische Volkswohlfahrt“ (NSV) und das Hilfswerk „Mutter und Kind“ (MuK).

Im Gegensatz zum Fürsorgeverein lag dem MuK „eine wertende Auslese der Hilfsbedürftigen zugrunde durch die ausdrückliche Beschränkung auf die Förderung des erbbiologisch wertvollen Teiles des deutschen Volkes. …Voraussetzung für das Eingreifen der NSV war demnach nicht die individuelle Notlage, sondern daß der zu Betreuende ein hilfsbedürftiger, erbgesunder, deutschblütiger und würdiger Volksgenosse war und sich nach seinem Denken und Handeln in die Volksgemeinschaft einfügt.“

Der NSV engagierte sich auch in der Jugendhilfe, die wiederum nur „erbgesunden, deutschblütigen“ Kindern galt. Da die Aufgabengebiete der NSV und des Fürsorgevereins fast identisch waren, fürchteten die Mitarbeiterinnen des Fürsorgevereins Restriktionen: „Fürchten Sie nicht, daß die nächste Frage die nach den Revisionen sein wird? Dr. Weber hat Schw. Hedwig Diekmann, die ja bei uns jetzt die ganzen Revisionen macht, sehr geraten, herein [in die NSV, Anm. d. V.] zu gehen. Wie denken Sie darüber? Glauben Sie überhaupt, daß man uns die Revisionen lassen wird?“

Dass diese Sorgen nicht unbegründet waren, wird in einem Brief einige Monate später von Agnes Plaßmann deutlich:
„Unser Säuglingsheim ist ja nun verkauft und damit hört in kurzer Zeit dort auch unsere Mütterstation auf.“

Neue Gesetze erschwerten die Arbeit des Fürsorgevereins. So wurde 1937 bei Adoptionen eine Bescheinigung darüber verlangt, dass das Kind nicht aus einer „körperlich oder geistig minderwertigen Sippe“ kommt. Wenig später wurde dem Fürsorgeverein die Adoptionsvermittlung per Gesetz weggenommen. Ab dem 1.9.1937 hatte die NSV zudem alle neuen Vormundschaften auf Weisung des Vormundschaftsgerichtes übernommen. Die Folgen beschrieb Frau Hüffer in einem Brief: „Bei uns ist es ja leider so, daß die Vormundschaftsarbeit am allerwenigsten funktioniert. Da wir sie früher ganz allein in Händen hatten, ist man heute wohl besonders darauf bedacht uns auszuschließen. Wenn es uns hier und da noch einmal gelingt, einem Kinde einen Vormund zu verschaffen, ist uns dies nur auf Umwegen möglich, die uns manchmal selbst nicht ganz sympathisch sind.“

Auch die Heime des Fürsorgevereins blieben nicht verschont. Wie beim Vinzenzwaisenhaus verwies die Stadt nur wenige Fürsorge-Zöglinge an das Fürsorgeheim. Deswegen war das Antoniusheim nur gering belegt. Um das Heim finanziell überhaupt noch unterhalten zu können, musste es schon 1934 mehrere Räume mit insgesamt 50 Betten an das Hilfswerk „Mutter und Kind“ vermieten. Außerdem hielt die NS-Frauenschaft, die eine Etage des Antoniusstift bewohnte, dort Mütterschulungskurse ab. Das ehemalige Erziehungsheim für Mädchen und Frauen beherbergte nun verschiedene Abteilungen: so eine Heilerziehungsabteilung für Psychopathen, eine „Normalerziehungsabteilung“ für Mädchen und Frauen sowie eine „Abteilung für gefährdete und brave Kinder“. Ferner beherbergte das Antoniusstift viele Privatkinder, die Pflegegeld bezahlten. Die Tatsache, dass viele der Schützlinge im Antoniusstift Psychopathen waren, zeigt eine typische Vorgehensweise der NSV: Die NSV schob alle „asozialen und erbkranken“ Kinder und Jugendliche in konfessionelle Anstalten ab.

Das Antoniusstift wurde wahrscheinlich gerade deshalb nicht ganz von der NSV übernommen, damit es solche Kinder und Jugendliche betreuen konnte.

So hatte man dem Fürsorgeverein zu Beginn des Zweiten Weltkrieges nur noch das Gertrudenhaus und einen Teil des Antoniusstiftes gelassen. Neben der Arbeit im Gertrudenhaus und Antoniusstift wurden alte Vormundschaften weitergeführt sowie Häftlinge im Gefängnis besucht. Entgegen dem allgemeinen Trend nahm die Belegung im Gertrudenhaus nach 1939 ständig zu, da der Krieg viele Kinder und Erwachsene obdachlos werden ließ.

Die „Vergeltungsangriffe“ der Alliierten trafen schließlich auch den Fürsorgeverein. Im Sommer 1941 brannten die Geschäftsräume des Fürsorgevereins infolge eines Bombenangriffes völlig aus. Ein neues Büro wurde bei der Trinkerfürsorge eingerichtet. Durch die Zerstörung der Zentrale gingen darüber hinaus alle Unterlagen verloren und infolgedessen ruhte die Arbeit des Fürsorgevereins im Juli und August 1941 fast völlig. Statistiken konnten nicht mehr geführt werden, weil alle Unterlagen im Büro verbrannt waren. Durch den Krieg war auch der Fürsorgeverein personell geschrumpft. 

„Eben haben wir in einer Bürobesprechung überlegt, daß es Zeit ist, nach langen Ferien unseren sog. kleinen Kreis wieder zusammen zu rufen. […] Ich habe in diesem Sommer mehrfach und eingehend mit Frau Hellraeth darüber gesprochen, daß unsere Arbeit sich mehr und mehr nur zu einer vom Büro geleisteten Arbeit entwickelt, aber wir kamen am Schluß dann immer wieder dazu zu sagen, daß es im Krieg wohl kaum eine andere Möglichkeit gäbe. Unser kleiner Kreis hat ja auch nicht den Sinn, Fälle zu besprechen, sondern den, wenigstens einen kleinen verantwortungsbewußten Kreis von Frauen im Gewissen wach zu halten für das Anliegen unserer Arbeit, neu auftauchende Gefährdungen ins Blickfeld zu rücken und neue Hilfswege zu zeigen.“

Im Jahre 1943 begann der Fürsorgeverein mit der Evakuierung der Kinder, die noch im Antoniusstift betreut wurden. Wegen der Gefahr durch alliierte Luftangriffe brachte man sie in württembergischen Schwesternhäusern unter.

Am 15.2.1944 wurde das gesamte Vorderhaus des Antoniusstiftes vom Gesundheitsdienst des Reichsarbeitsdienstes beschlagnahmt. Der Fürsorgeverein wurde angewiesen, mit seinen Schützlingen und all seinen Möbeln ins Hinterhaus umzuziehen.

„Das enge Zusammenwohnen wird noch manches Opfer kosten: Der Hof, der so viele schöne Feste gesehen, kann nicht mehr benutzt werden; kein Saal, kein Sprechzimmer, keine Schulklasse, das Kapellchen zu klein für gemeinsamen Gottesdienst von Schwestern und Kindern. […] Und doch sagen wir uns: Gott ist uns gut gewesen. Er hat uns ein Heim gelassen und uns bis jetzt vor Bomben bewahrt.“

Doch es kam noch schlimmer für den Fürsorgeverein im Laufe des Jahres 1944. In einem Brief im Herbst 1944 erläuterte Frau Agnes Plaßmann den Mitgliedern des münsterischen Fürsorgevereins die katastrophale Lage:
„In den letzten drei Monaten konnten wir keine Arbeitsbesprechung mehr halten. Eine unsagbar schwere Heimsuchung ist über uns alle gekommen. Unser geliebtes Münster mit seinen ehrwürdigen Kirchen, mit seinen schönen Bauten, die Zeugnis ablegten vom christlichen Geiste der Vorfahren, ist zerstört. Unsere Fürsorgearbeit ist fast ganz vernichtet. Die Schützlinge, die der Hilfe heute wahrscheinlich noch notwendiger bedürfen als sonst, sind in alle Winde verweht. Unser Büro, der Sammelpunkt für die Durchführung all der vielfältigen Hilfsarbeit ist zum zweiten Mal mit allen Akten vernichtet. Wir arbeiten jetzt notdürftig in der Hermann-Göringstr.45. Unser Gertrudenhaus, das der ersten Hilfe in vielen Notlagen diente und jährlich etwa 1300 Mädel und Frauen vorübergehend aufnahm, brannte am 12.9. mit allem Inventar aus. 44 von 45 Betten sind vernichtet. Die Schwestern, die 20 Jahre lang dort eine mühselige Arbeit auf sich genommen hatten und alle Heiminsassen sind auch in alle Winde zerstreut. Am 30.10 brannte unser Antoniusstift mit weit über 100 Betten mit allem Inventar aus. Frau Hellraeths erstes Werk! Gott allein weiß, wieviel Segen davon ausgegangen ist! 40 Jahre unermüdlicher Erziehungsarbeit der Töchter vom Hl. Kreuz! Nun ist alles zerstört. Einen bescheidenen Ersatz verschaffte unsere Zentrale dem Stift in tatkräftigem Einsatz in einer Baracke der Firma Falken/Rohen in Schmallenberg im Sauerland. Auch die befreundeten Häuser, das Kloster vom Guten Hirten und das Mauritz-Waisenhaus, die beide in ungezählten Fällen hilfreich mit uns zusammenarbeiteten, sind den Bomben zum Opfer gefallen. Das ganze äußere Werk unserer Hilfsarbeit an gefährdeten Mädchen und Frauen ist also hin. […] Wir können nun nicht mehr in der bisherigen Form weiterarbeiten. Bitte führen Sie jedoch jede einzeln getreulich Ihre Vormundschaften und die übernommenen Einzelbetreuungen weiter fort und holen sie sich Rat im Büro. […] Lassen wir uns durch die vielfachen Nöte und Ängste, in die wir nun selber geraten sind, nicht davon abhalten, uns um die zu kümmern und die aufzusuchen, die immer schon in besonderer Gefährdung lebten und nun unter den Kriegsnöten fast zerbrechen. Helfen wir durch diese Kleinarbeit dem Herrn den Weg bereiten in unserem Volk! Möge der Stern von Betlehem hell strahlen in unsere dunkle Nacht! …Wir wollen ja unsere Arbeit schon durch diese Zeiten hindurchtragen, und eines Tages hoffen wir sie wieder richtig gemeinsam weiterführen zu können. …Wir wollen ja miteinander die Werke der Liebe neu aufbauen, sobald es geht!“

Gegenüber der totalitären Macht und der kirchenfeindlichen Ideologie des Nationalsozialismus konnte sich der Katholische Fürsorgeverein nur mit Mühe, mit weitgehendem Rückzug aus der Öffentlichkeit und in den Nischen weniger verbliebener Aufgaben, behaupten.

Nach 1945: der Neuanfang

Der Zweite Weltkrieg hatte sämtliche Gebäude des Fürsorgevereins zerstört.. Ein kompletter Neuanfang war nötig. So strukturierte sich der Fürsorgeverein in Münster neu. Ausgeklammert blieben die Wohlfahrtsschule, die bereits 1931 in andere Hände übergeben worden war, und das Vinzenzwaisenhaus, das als selbständige Institution neu gegründet wurde. Die Schwestern der Kongregation der Töchter vom hl. Kreuz, die Schützlinge des Antoniusstiftes betreut hatten, wollten in einer Baracke bei Telgte das neue Heim eröffnen. Der Fürsorgeverein hatte aber Bedenken, dass sich hier für die jungen Frauen keine hinreichenden Beschäftigungsmöglichkeiten finden ließen. Auch wegen der Beschwerde der Schwestern, dass in Schmallenberg, wo sich das ausgelagerte Antoniusstift 1945 noch befand, die Voraussetzungen für geregeltes klösterliches Leben nicht gegeben seien, entstanden ernste Meinungsverschiedenheiten zwischen den „Kreuzschwestern“ und dem Fürsorgeverein,  die dann zu einem Bruch der Zusammenarbeit führten: Da dem Fürsorgeverein die finanziellen Mittel fehlten, um weltliche Arbeitskräfte einzustellen, musste er seine Schützlinge im Antoniusstift  an andere Anstalten abgeben oder sie entlassen. Eine Wiederbelebung war ohne Personal und Geld unmöglich geworden. Der Fürsorgeverein versuchte nun, wenigstens das Gertrudenhaus neu zu gründen. Eine kaum beschädigte und leer stehende Wohnung eines ehemaligen Mitarbeiters des Fürsorgevereins wurde hierfür genutzt und der Fürsorgeverein hoffte, ab Anfang September 1945 neue Schützlinge aufnehmen zu können.

Währenddessen kamen in Münster viele Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten an. Der Fürsorgeverein wollte den Mädchen und Frauen, denen die oft monatelange Flucht erheblich zugesetzt hatte, eine vorläufige Bleibe bieten. Vom Kloster zum Guten Hirten erhielten die Fürsorgerinnen schließlich die Erlaubnis im Klostergarten eine Baracke aufstellen zu dürfen. So wurde der Fürsorgeverein wieder seinen ursprünglichen Idealen gerecht, „ein aus der augenblicklichen Not geborenes Hilfswerk“ zu erschaffen. Über die im November 1945 eröffnete Flüchtlingsbaracke berichtet Frau Plaßmann in einem Brief:
„Es ist kaum zu sagen, wie schön die Arbeit in unserem kleinen Flüchtlingsheim in der Baracke im Guten Hirten geworden ist. Wir haben so ungefähr alle 18 Betten belegt. Es ist zusammengeballte Not, was uns dort begegnet. Erschütternd ist es. Und so verschiedene Menschen sind es, junge Mädchen, die seit 6 Monaten ziellos wandern, Mütter, eine Ärztin, eine Fürsorgerin, die eine NS-Adoptionsstelle im Osten leitete, aufgegriffene Mädchen, ganz behütet aufgewachsene Menschen, alles durcheinander, auch verschiedene evangelische Menschen darunter. Und doch alles geeint, ohne Mißklang. Alle fühlen sich geborgen.“

Zwar hatte der Fürsorgeverein noch sehr wenige ehrenamtliche Mitarbeiter, allerdings herrschte unter den Mitgliedern eine Aufbruchsstimmung, die mit dem Enthusiasmus und Engagement der Gründerzeit zu vergleichen ist: „Unser kleiner Mitarbeiterinnenkreis ist überhaupt trotz aller eigenen Miseren und Nöte von einer so lebendigen Hilfsbereitschaft erfüllt wie früher nie. Es wachsen bei vielen doch wirklich innere Kräfte mit aller Not. Das ist angesichts der wachsenden Aufgaben und der vielen täglichen Mühen wirklich ermutigend.“

Darüber hinaus versuchte der Fürsorgeverein ein Heim für Mütter und Kinder zu finden. Die Notwendigkeit für ein solches Heim wurde immer dringlicher. Deshalb entschloss sich der Fürsorgeverein im Sommer 1946 ein Gebäude zu pachten: „Wir fangen nun tatsächlich doch mit einem neuen Heim an und zwar wollen wir in der kommenden Woche doch den Baumberger Hof zwischen Nottuln und Havixbeck pachten. Wir haben jetzt den Plan, darin ein Säuglingsheim für wenigstens 60 Kinder einzurichten und dazu eine kleine Stillstation für 6-8 uneheliche Mütter, die wir jeweils 6 Wochen behalten wollen, so daß also wenigstens 50 mal im Jahr geholfen werden kann.“

So wurde im November 1946 der Baumberger Hof als Säuglingsheim eröffnet, der von einer Fürsorgerin, drei Säuglingspflegerinnen, einer Wirtschafterin und einer Hausangestellten geführt wurde.

Der Fürsorgeverein nahm daneben noch andere alte Aufgabenzweige wieder auf. So suchte er regelmäßig Mädchen und Frauen in der Geschlechtskrankenstation, im Polizei-, Gerichts- und Staatsgefängnis und in der Entbindungsanstalt auf. Er arbeitete regelmäßig mit der Gesundheitsbehörde und der Beratungsstelle für Geschlechtskranke zusammen, obwohl der Fürsorgeverein 1947 im Verhältnis zu den zwanziger Jahren sehr wenig Mitglieder (148) und Mitarbeiterinnen (22) hatte. 1947 betreute der Fürsorgeverein schon über 1000 Schützlinge (1092). Am häufigsten kümmerte er sich um Gefangene und Strafentlassene, um uneheliche Mütter und uneheliche Kinder. Mitarbeiterinnen des Fürsorgevereins führten insgesamt 337 Vormundschaften. In der Straffälligenbetreuung besuchten Mitarbeiterinnen knapp 250 Häftlinge und machten 1200 Gefangenenbesuche.

Auch die Heime des Fürsorgevereins nahmen eine beträchtliche Anzahl von Säuglingen, Mädchen und Frauen auf. Die Flüchtlingsbaracke auf dem Gelände des Klosters vom Guten Hirten kümmerte sich 1946 um 103 Flüchtlinge. Das Gertrudenhaus verpflegte 1947 knapp 600 Kinder, Mädchen und Frauen.

Der Baumberger Hof hatte sich bis 1947 sogar schon vergrößert. Er bot nun 10 Müttern und 52 Säuglingen Platz und beschäftigte zehn Personalkräfte. 1947 fanden 96 Säuglinge und 50 Mütter eine Unterkunft. Auch in der folgenden Jahren nahm der Fürsorgeverein im Baumberger Hof Frauen auf, die ihre nichtehelichen Kinder erwarteten, sowie Mädchen, die aus gesellschaftlichen Zwängen heraus in seelischer Not und materieller Not sich und ihre Kinder vor der Öffentlichkeit verbergen mussten. Häufig waren es Bauerntöchter oder Studentinnen, deren sogenannte „Besatzungskinder“ weder im heimatlichen Dorf noch in den Familien der Großstadt erwünscht waren. Diese existentielle Not aufzufangen und mitzutragen, gemeinsam mit den Frauen neue Lebensperspektiven zu entwickeln, war das Anliegen der Mitarbeiterinnen. Im Verlauf der 60er und 70er Jahre änderte sich allerdings gesellschaftliche Haltung. Die Liberalisierung der Sexualität führte zur Toleranz gegenüber unverheirateten Frauen, die in „sexueller Freizügigkeit“ ein Kind empfangen und geboren hatten. Sie brauchten nun nicht mehr fernab der Dörfer und Städte versteckt zu werden und benötigten eine andere Art der Hilfe. So wurde das Mutter-Kind-Heim des Fürsorgevereins, der Baumberger Hof, Anfang der achtziger Jahre geschlossen.

Neuer Name in alter Tradition

Im Kontext gesellschaftlicher Veränderungsprozesse und insbesondere mit einer Neubestimmung der Sozialen Arbeit erfolgte die Namensänderung des Vereins. 1968 erfolgte die Umbenennung des „Katholischen Fürsorgevereins für Mädchen, Frauen und Kinder“ in den „Sozialdienst Katholischer Frauen (SkF)“. Der Begriff „Fürsorge“ schien veraltet. Der neutralere und weniger diskriminierende Begriff „Sozialdienst“ erschien angemessener und entsprach auch dem gewachsenen professionellen Selbstverständnis. Es lassen sich auch spätestens seit dieser Zeit drei „Säulen“ der Arbeit des SkF beschreiben, die bis in die Gegenwart strukturbildend geblieben sind. Dies sind die Arbeit der Beratungsstelle, die Hilfen bezüglich der Häuslichen Gewalt gegen Frauen und die Wohnungslosenhilfe.

Seit 1970: Zunehmende Professionalisierung und Ausweitung der Angebote

Die historische Entwicklung vom Katholischen Fürsorgeverein zum Sozialdienst katholischer Frauen e.V. Münster verdeutlicht eindrucksvoll das Engagement von Frauen für Frauen. Über den gesamten Zeitraum lässt sich erkennen, dass die Arbeit von Offenheit und Sensibilität für die Problemlagen und auch vom Mut neue Angebote zu entwickeln gekennzeichnet ist.

Darüber hinaus zeigen sich interessante Parallelen zur Entwicklungsgeschichte der Sozialen Arbeit. Stand zu Beginn die „mildtätige Fürsorge am Nächsten“ im Mittelpunkt der Arbeit, so kennzeichnen heute Begriffe wie„Eigenverantwortung, Unterstützung oder Hilfe zur Selbsthilfe“ das professionelle Selbstverständnis. 

Quellen

[i] Der Beitrag basiert  u.a. auf einer Arbeit von Christoph Lütke Schellhove mit dem Titel „Weggemeinschaft von Frauen für Frauen- zur Jahrhundertgeschichte des Sozialdienst Katholischer Frauen in Münster“ aus dem Jahr 1996.

[ii] Zeitungsartikel im Münsterischen Anzeiger, 2.1.1928: 25 Jahre katholischer Fürsorgeverein für Mädchen, Frauen und Kinder in Münster

[iii] Katholische Fürsorgearbeit in Münster: Die Geschichte und Tätigkeit des Katholischen Fürsorgevereins für Mädchen, Frauen und Kinder 1902-1920, S.9

[iv]  Manuskript des Caritas-Archivs in Freiburg, S.1

[v]  Brief von Frau Hellraeth, 23.2.1942, aus: Manuskript des Caritas-Archivs in Freiburg, S.3

[vi] Katholische Fürsorgearbeit in Münster: Die Geschichte und Tätigkeit des Katholischen Fürsorgevereins für Mädchen, Frauen und Kinder 1902-1920, S.9f

[vii] ebd.; S.10

[viii]  Dokument aus dem Caritas-Archiv in Freiburg; S.5f

[ix] Katholische Fürsorgearbeit in Münster: Die Geschichte und Tätigkeit des Katholischen Fürsorgevereins für Mädchen, Frauen und Kinder 1902-1920; S.10f

[x] ebd., S.10

[xi] ebd. S.11f

[xii] ebd., S.15

[xiii] Münsterischer Anzeiger 2.1.1928: 25 Jahre katholischer Fürsorgeverein für Mädchen, Frauen und Kinder in Münster

[xiv] ebd.

[xv] Dokument aus dem Caritas-Archiv in Freiburg: Der Fürsorgeverein in Münster: Entwicklung der Tätigkeit in chronologischer Folge, S.4

[xvi] Bericht des kath. Fürsorgevereins für Mädchen, Frauen und Kinder; Ortsgruppe Münster und der ihm angeschlossenen Anstalten über die Arbeit in den Jahren 1924/1925

[xvii] Dokument aus dem Caritas-Archiv in Freiburg: Der Fürsorgeverein in Münster: Entwicklung der Tätigkeit in chronologischer Folge, S.3f

[xviii] Münsterischer Anzeiger, 3.1.1928: 25 Jahre katholischer Fürsorgeverein für Mädchen, Frauen und Kinder in Münster